Paternoster Demontage – zwei Kabinen auf Abwegen
Ich kann es noch immer kaum glauben, sage ich zu Franz.
Zusammen mit Veso und seinem Kollegen, beide sind erfahrene Aufzugstechniker, wollen wir heute den Ausbau der Paternosterkabinen in Angriff nehmen.

Die_Aufzug_Museum_Demontage_Crew
So versiert wir bei „normalen“ Aufzug Rettungsaktionen auch sind, mit einem Paternoster ist das alles nicht zu vergleichen.
Die Dimensionen sind hier noch einmal um ein Vielfaches größer.
Immerhin gibt es bei einem Umlaufaufzug nicht nur eine Kabine, sondern gleich mehrere.
14 Stück, um genau zu sein. (Die Anzahl ist abhängig von der Höhe des Gebäudes)

Blick_in_den_Paternoster_Schacht
Ein weiterer Unterschied ist bei der Konstruktion der Kabinen zu finden.
Während bei herkömmlichen Personenaufzügen klassischer Bauart das Tragmittel (Seil oder Hydraulikstempel) immer mittig am Fahrkorb angeschlagen ist, wird bei Paternosterkabinen das Tragmittel (Kette) seitlich befestigt.
Dies ergibt sich daraus, weil die Kabinen beim Umlaufaufzug ja nicht nur vertikal, sondern auch horizontal bewegt werden müssen.

Befestigungspunkt_zwischen_Kette_und_Kabine
Dieses seitliche Befestigen macht wiederum eine eigene Konstruktion des Fangrahmens notwendig.
Fangrahmen nennt man die eiserne Einfassung um die Aufzugkabine aus Holz.
Während beim herkömmlichen Aufzug der Fangrahmen genau mittig um die Kabine verläuft, ist beim Paternoster ein Gitterkäfig notwendig, um die diagonal wirkenden Kräfte der Montagepunkte aufzunehmen.
Dieser Gitterkäfig ist genietet ausgeführt.
Was im Klartext bedeutet, die Kabinen können nicht im Schacht zerlegt, sondern müssen im Ganzen ausgehängt werden.
Bei solch komplexen Fragestellungen ist es immer gut einmal in umgekehrter Reihenfolge zu denken. Wie wurden die Kabinen vor über 100 Jahren montiert?
Die Lösung ist naheliegend.
Die Fahrkörbe wurden im Raum unterhalb der Fahrschächte zuerst zusammengebaut und dann mittels Seilzug nach oben in die Fahrschächte gezogen und in die Ketten eingehängt.
Eine nach der anderen.
Und unser Gedanke war das genau so zu machen.
Nur eben im umgekehrter Reihenfolge.
Im ersten Schritt wird hierfür der untere Führungsschienen-Querbalken von Veso und mir demontiert.
Dieser Querträger stabilisiert die Kabinen bei der unteren Wendefahrt.

Veso_und_ich_demontieren_den_unteren_Querbalken
Im zweiten Arbeitsgang wird dann die erste Kabine, soweit es möglich ist, mit Handkraft nach unten gekurbelt.
Danach die Kabine für das Einhängen in den Flaschenzug vorbereitet.
Schließlich kann der Flaschenzug auf Spannung gezogen werden.
Das Gewicht der Kabine hängt nun am Flaschenzug und nicht mehr an der Kette.
Jetzt können die jeweils vier Schrauben an den originalen Befestigungspunkten gelöst und die Kabine mittels Flaschenzug bis auf den Schachtboden heruntergelassen werden.
Nun kann man gut an der Kabine arbeiten und mit dem Zerlegen beginnen.

Paternosterkabine_steht_am_Boden
Das Kabinen zerlegen
Als erstes werden die Führungsbügel abgeschraubt, welche die Kabine an drei Seiten umschließen.
Sie sorgen dafür das sich die Kabine im Betrieb nicht verdreht oder kippt.
Danach sind die Holzwände an der Reihe.
Dabei ist peinlichst genau auf die Reihenfolge beim Ausbau zu achten, um keine Teile zu beschädigen.
Was uns dabei erstaunte war dass alle Teile großteils nur gegeneinander verspannt und nur vereinzelt mit Schrauben gesichert waren.

Ausbauen_der_Kabinen_Holzwände
Die Arbeit ging uns viel einfacher von der Hand als gedacht.
Insgesamt vier Kabinen wurden auf diese Weise ausgehängt und zerlegt, die Gitterkäfige im Triebwerksraum derweil immer auf die Seite gestellt.
Wo wir auch schon bei der nächsten Herausforderung sind.
Die Gitterkäfige
Wie um alles in der Welt sollen wir die Dinger im Ganzen aus dem Keller auf die Straße bringen?
Alle Stiegenhäuser waren zu eng um durchzukommen.
Ich überlegte schon wo man am Besten einen Schnitt setzt, der sich leicht reparieren lässt, als Veso die geniale Idee hatte.

Der_erste_Gitterkäfig_wartet_auf_den_Abtransport
„Vorne gibt es einen hydraulischen Lastenaufzug“ sagte Veso.
„Ja das weiß ich, aber der ist doch viel zu klein!“, antwortete ich.
„Die Kabine schon, aber der Schacht nicht.“: erwiderte Veso.
Ich brauchte einen Moment, bis ich seinen Gedanken folgen konnte.
Doch dann wurde mir sein genialer Plan bewusst!
Da sich unter uns noch ein Kellerstockwerk befindet, kann der Lastenaufzug in die unterste Position gefahren und der Gitterkäfig auf das Dach der Kabine gestellt werden.
Mit der Wartungssteuerung des Aufzuges, welche sich am Dach der Kabine befindet und den Lift nur im Schneckentempo bewegt, kann dann Aufwärts gefahren werden.
Der Abtransport
Am nächsten Morgen sind wir wieder vor Ort.
Diesmal sind auch Ragnar und sein Bruder Birger zur Stelle um uns zu helfen.
Doch ist es wirklich zu schaffen?
Wir machten uns an die Arbeit
Zuerst wurde ein kleines Holzpodest am Kabinendach des Lastenaufzuges konstruiert und dann der Gitterkäfig mit vereinten Kräften in den Aufzugschacht eingefädelt.

Einfädeln_der_Gitterkäfige_in_den_Aufzugschacht
Zu zweit stabilisierten Ragnar´s Bruder und ich den Gitterkäfig während der Aufwärtsfahrt.
Ich hatte noch dazu die Steuerung zu bedienen.
Beim Stabilisieren mussten wir peinlichst genau darauf achten, das der Gitterkäfig nicht an die Schachtwände gelangt.
Wenn er sich verkeilt und verbiegt, wäre alle Mühe umsonst gewesen.
Gut einen Meter unterhalb der EG Haltestelle wird nun der Lift gestoppt.
Die Schachttüre wurde geöffnet und der Gitterkäfig in selber Reihenfolge wieder nach draußen geschoben.
Und Voila – wir hatten es geschafft! Unglaublich!
Der Zweite war dann schon nur mehr Routine.

Gitterkäfig_auf_de_Lastenaufzugkabine
Erleichterung stand allen Beteiligten ins Gesicht geschrieben!
Wir haben geschafft, was unmöglich schien.
Eine Paternosterkabine komplett zu bergen, ohne ihr auch nur ein Haar, oder besser gesagt eine Faser zu krümmen.
Und das nur dank Veso´s Idee und eines super genialen Teams!
Der Abtransport in das Depot gestaltete sich dann ganz unkompliziert.
Goran, unser ebenfalls treuer Helfer, war wieder mit seinem LKW mit Ladekran zur Stelle.
Mit diesem wurde alles bequem auf- und wieder abgeladen.

Goran_beim_Laden_der_Gitterkäfige
Im Depot wurden schließlich die Gitterkäfige nach alter Tradition auf Paletten gestellt und wieder mit den Holzwänden ausgekleidet.
Einerseits um Lagerplatz zu sparen, andererseits weil es einfach schön ist, seine Arbeit im Ganzen bewundern zu können.
Zwei Paternosterkabinen freistehend nebeneinander.
Kein Anblick den man alle Tage hat.

Beide_Kabinen_zusammengebaut_in_unserem_Depot
Doch noch war nicht Zeit um sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen!
Wenn ihr glaubt, eine Paternosterkabine auszubauen wäre eine Herausforderung, dann wartet was als Nächstes auf uns zukommt!
Denn mit Kabinen alleine ist ein Paternoster nicht komplett.
Es fehlen noch die Maschinenteile!
Und diese sind noch eine weitaus größere Herausforderung!
Denn ein Teil wiegt da schon mal 500kg und mehr!
Dazu beim nächsten mal mehr!