Das große Reinigen
Eine dicke Staubschicht hat sich wie ein sanfter Schleier über die Maschine gelegt. Ein Blick in die Kabine bringt neben Hausrat so manche Kuriosität hervor.
Über 80 Jahre Stillstand haben ihre Spuren hinterlassen.
Nun liegt es an uns diese Schleier zu lüften.
Endlich können wir beginnen.
Gemeinsam mit Richard, unserem liebenswerten Hausmeister geht es an die Arbeit.
Wir blicken beide in die gut gefüllte Schachtgrube unterhalb der Liftkabine welche mehr den Eindruck einer Abstellkammer macht als die eines Aufzuges.
Über die Jahrzehnte hat sich hier so allerhand angesammelt.
Beispielsweise eine alte Trockenhaube des ehemaligen Friseursalons im Haus.
Mit jeden Stück das wir aus dem kleinen Raum räumen, wird mehr und mehr der gut erhaltenen Aufzugstechnik sichtbar. Alle technischen Einrichtungen präsentieren sich in einem sehr guten Erhaltungszustand.
Auch im Inneren der Kabine setzt sich dieses Bild fort.
Alle Gläser sind unbeschädigt, Steuerarmaturen und Beschilderungen vorhanden.
Besonders faszinieren mich hier immer die ausgeklügelten technischen Lösungen der damaligen Zeit, verpackt in ein stilvolles Kleid.
Während ich noch in der Kabine am Staunen bin, hat Richard auch schon für entsprechende Stärkung aus Hopfen und Malz gesorgt. PROST!
Dazu ein von ihm selbst zubereiteter polnischer Bohneneintopf.
Die zweite große Aufgabe kommt dem Triebwerksraum im Keller zu.
Hier findet sich zwar weniger sperriges Zeug, dafür aber ein mehr an Staub. Leere Weinflaschen finden sich ebenso wie einige originale Werkzeuge und Schmiermittel, die noch aus der Betriebszeit der Anlage stammen.
Fein säuberlich wird alles Gefundene grob gereinigt und gesichert.
Insgesamt zwei ganze Säcke voll mit Staub und Schutt wurden geborgen.
Zur Belohnung gab es dann eine ganze Packung Schokobananen, welche unserem Heißhunger nicht lange standhielt.
Ausserdem gilt es ja auch sich der nächsten Herausforderung zu stellen, und zwar der Reinigung von Liftschacht und Tragrollenraum am Dachboden.
Der Tragrollenraum ist der Raum, wo die Seile von Kabine und Gegengewicht am Dachboden umgelenkt werden.
Die Antriebsmaschine befindet sich im Keller des Hauses.
Das bringt den Vorteil von geringerer Geräuschentwicklung.
Über die Zeit haben sich zwar hier keine Koffer und anderes angehäuft. Allerdings bot der nicht genutzte Aufzugsschacht die ideale Möglichkeit für Fernsehkabel von den Dachantennen zu den Wohnungen.
Glücklicherweise entpuppen sich diese Leitungen als Altbestand und konnten von Ragner und mir einfach abgenommen werden.
Ragnar, der ein Freund von Franz und mir ist, ist immer zur Stelle wenn es um Elektrotechnik geht. So befanden wir uns beide in unserem Element als wir am Dachboden mit den gefühlten Kilometern an Kabeln kämpften.
Nun geht es weiter in den Schacht.
Vom Kabinendach aus wird, wie es die Vorschriften von anno dazumal verlangen, per Handbetrieb die Kabine nach unten bewegt.
Ein richtiges Workout für Franz im Triebwerksraum. Natürlich wurde aber auch gewechselt.
Jeder Aufzugsantrieb musste eine Möglichkeit zum händischen Bewegen der Kabine haben. Sei es im Falle eines Stromunterbrechung oder für Wartungszwecke. Dies geschah mit Hilfe einer Kurbel oder Ratsche, abhängig davon wieviel Platz im Triebwerksraum vorhanden war.
Der Schmutz der sich über die lange Zeit des Stillstandes angesammelt hat wurde von Führungsschienen, Seilen und Steuerungselementen entfernt.
Gleichzeitig wurden bewegliche Teile und Gleitflächen mit Schmieröl versehen. Zur damaligen Zeit mussten die einzelnen Aufzugskomponenten einer täglichen Wartung unterzogen werden um einen sprichwörtlich reibungslosen Betrieb gewähren zu können.
Ebenso war die Aufgabe gegeben die Sicherheitseinrichtungen einer Kontrolle zu unterziehen. Die Fangeinrichtung der Kabine ist hier als Wichtigste zu nennen. Erst durch dieses von Otis entwickeltes System wurde Aufzugfahren sicher.
Die Fangeinrichtung ist jenes System, welches bei Seilbruch ein Abstürzen der Kabine verhindert. Das belastete Tragseil hält die Feder am Fahrkorb gespannt, die im Unglücksfall die Bremsbacken an die Führungsschienen drücken.
Als Joch bezeichnet man die oben liegenden Eisenträger an der Kabine.
An diesem ist die Kabine aufgehängt, auch die Fangeinrichtung ist hier untergebracht.
Grund genug also für Ragner und mich, hier sorgfältigst zu arbeiten.
Nach dieser Art von Arbeit freute sich anschließend schon jeder von uns auf eine Dusche! Aber wie Franz immer zu sagen pflegt: „Der Staub an uns ist die Zierde der Arbeit“.
Und diese wird uns sicher auch noch länger erhalten bleiben!
Denn nächste Woche geht es an das Revitalisieren der Aufzugsmaschine.
Unser Aufzug soll ja schließlich noch einmal in Betrieb gehen.
Mehr dazu beim nächsten Mal.
LG Franz, Ragner und Christian