26. November 2017
In
Blog, Dokumentation
Der letzte Aufzug der Nibelungen
Was vor mittlerweile fünf Jahren seinen Anfang nahm wird in den nächsten Wochen vollendet sein.
Die Entscheidung für einen neuen Aufzug ist gefallen.
Das Nibelungenviertel in Wien Rudolfsheim-Fünfhaus wird seinen letzten originalen Aufzug verlieren.
Viele Bewohner trauern um ihren alten Lift.
Doch als unsere Anwesenheit die Runde im Haus macht ändert sich die Stimmung. Die Geschichte einer Aufzugsbergung beginnt.
Schon seit mehreren Jahren pflege ich einen guten Kontakt zu dieser Hausverwaltung, die dem Wiener Aufzug Museum zum Glück wohl gesinnt ist. Immer wieder fragte ich nach, wie der Planungsstand zur Aufzugssanierung ist. „Melden Sie sich bitte in einem Monat wieder Herr Tauss“,bekam ich bei vielen Anfragen als Antwort.
Wachsam war mein Blick stehts am Heimweg aus der Stadt wenn ich am besagten Haus im Nibelungenviertel vorbei radelte.
Das Nibelungenviertel erhielt seinen Namen durch die Bezeichnung seiner Straßenzüge. Es war nicht unüblich Straßen neuer Stadtviertel nach Themen zu benennen. Im aktuellen Fall war es die Sage der Nibelungen, welcher zum Namensgeber wurde.
Puh, zum Glück ist er noch da, der Lift.
Ganz warm ums Herz wurde mir immer wenn ich die wunderschön ins Stiegenhaus eingebettete Aufzugsanlage sah. Zu schade, dachte ich, dass diese Anlage einer modernen weichen wird müssen.
Bei der Anlage handelt es sich um ein Fabrikat der Firma Wertheim Wien Baujahr 1908. Was aber speziell auffällt ist die strenge Formensprache der Konstruktion, die dem Heimatstil zugeordnet werden kann. Diesen Stil spiegelt das gesamte Stadtviertel wieder.
Anfang November kam dann plötzlich Bewegung in die Sache.
Eine abermalige Anfrage an die Hausverwaltung brachte die Antwort: Setzen Sie sich bitte mit der ausführenden Aufzugsfirma in Verbindung!
Von dieser erfuhr ich, der Abbau sollte bereits Anfang Dezember stattfinden. Die Kabine kann von uns vorab demontiert werden.
Soweit so gut! Aber bis zur Demontage gibt es noch so einiges zu tun.
Die Dokumentation
Es ist Freitag und ich betrete bepackt mit Scheinwerfern und Fotoausrüstung das Foyer. Mein Freund Christian Prinz und Ragnar sind auch bereits schon da.
Es ist Dokumentieren angesagt und wir alle waren gespannt was der Kontakt mit den Hausbewohnern so bringen würde.
Und es dauerte nicht lange bis die erste Unterhaltung stattfand.
Eine ältere Dame welche im Atelier unter dem Dach Schauspielunterricht gab wurde von Ihrer Schülerin auf unsere Dreharbeiten hingewiesen. Die Schülerin dachte wir gehören zu Ihr weil das Equipment so professionell aussah. Was wünscht man sich mehr!
Das bot uns die Gelegenheit eine Atelierwohnung mit Charakter zu besichtigen und mein Freund Christian knüpfte seine ersten Kontakte für seine weitere Karriere in der Videobranche.
Schließlich betraten wir zum ersten Mal den Dachboden.
Es fühlte sich in der Tat an als währen wir in die Nibelungensage eingetaucht. Ein riesiges Gebälk stützt die turmartige Dachkonstruktion über uns und eine steile Eisentreppe führt zum Maschinenraum empor.
Spuren der Vergangenheit waren in diesem zu entdecken, auch wenn die Antriebsmaschine bereits mehrmals erneuert wurde.
Einige Teile waren jedoch noch original aus dem Herstellungsjahr.
Darunter auch die Steuerungsknöpfe in der Kabine welche in Fachkreisen als Schubknopfsteuerung bezeichnet wird.
Die Schubknopfsteuerung revolutionierte den Aufzugsbau in Wien. Bis dahin war stets die Anwesenheit eines Aufzugspersonales zum in Gang setzen notwendig. Mit der neuen Art der Steuerung war es nun möglich das Steuern dem Fahrgast selbst zu überlassen.
Sie war damit auch die erste Steuerungsart die das Synonym der intelligenten Technik verkörperte.
Die nächste Etappe der Dokumentation führte uns zurück ins Parterre.
Eine dicke Staubschicht hatte sich bereits über die Kabine gelegt.
Aber als wir den Strom wieder einschalteten und die Beleuchtung in der Kabine entflammte, war es wie als wäre dieses Gefährt nie ausser Betrieb gewesen.
Eindrucksvolle Aufnahmen entstanden mit den verschiedensten Positionen der Aufzugskabine. Fotos wie sie im Betrieb nie möglich gewesen währen!
Dies blieb auch einigen Mietern aus dem Haus nicht verborgen.
Ein Bursch aus der WG im ersten Stock sprach uns an.
„Hey, bauts Ihr den leicht aus! Wir haben nämlich auch schon überlegt uns den in die Wohnung zu stellen. Zu schad das Teil zu entsorgen!“
Ich war mit dieser Meinung ganz bei Ihm. Und nach einer kleinen Quatscherei machten wir mit Ihm und einer WG Kollegin kurzerhand eine kleine Aufzug Führung der etwas anderen Art.
Dafür gab anschließend Kaffee und frisch gebackene Kekse bei ihnen in der Wohnung.
Es ist immer wieder unglaublich wie sehr das Thema Aufzug die Menschen in einem Haus zusammenbringt. Wie herzlich wir immer in die Gemeinschaft aufgenommen werden.
Kommende Woche werden wir wieder zu Gast sein!
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge.
Denn so schön es auch immer mit den Menschen ist, so traurig ist es, ein Stück Aufzugsgeschichte seiner angestammten Heimat zu entreissen.
Den letzten Aufzug im Nibelungenviertel!
Bis dahin
LG
Christian und das ganze Team