2. Dezember 2017
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Der letzte Aufzug der Nibelungen – Demontage
Diese Woche wurde es ernst im Nibelungenviertel.
Vollbepackt fährt unser Transporter wieder einmal vor um zu Retten und zu bewahren. Ragnar und Franz sind auch zur Stelle!
Begleitet uns beim Abbau einer 110 Jahre alten Kabine.
Schnee und Eis begleiten uns an diesem Wintermorgen bis zur Haustüre. Es ist ein besonderer Tag in Wien, denn Schnee ist hier äusserst selten. Fast schon genau so selten wie historische Aufzüge, sage ich scherzhalber zu Ragnar.
Unser treuer Gefährte an diesem winterlichen Tag, ein beheizter Putschkessel gefüllt mit wärmenden Orangenpunsch. Natürlich alkoholfrei. Schnell ist dieses wichtige Gerät mit Strom versorgt um sich den anderen wichtigen Dingen widmen zu können.
Den Aufzug abbauen!
Als erstes gilt es hier einmal die Unmengen an Werkzeug und Equipment an die Orte zu schaffen wo sie gebraucht werden. Mit unserem Lift kann man schon sagen wird der Transport allerdings erheblich leichter. Denn als erstes beginnen wir im Triebwerksraum, und der ist unterm Dach.
Wir bekommen fast ein schlechtes Gewissen wie wir andere Handwerker sehen die eine Spüle sie Stiegen rauf tragen. Aber eben nur fast.
Oben mit allem angekommen trifft auch bereits der Techniker der Aufzugsfirma ein.
Anstelle unseres altehrwürdigen Liftes tritt ja in wenigen Monaten ein neuer Aufzug. Leider!
Mit dem Montageleiter besprechen wir kurz das Vorgehen beim Abbau um entsprechend Hand in Hand arbeiten zu können.
Anschließend bleibt noch etwas Zeit zum Fachsimpeln.
Nun aber an die Arbeit!
Die Kabine in die oberste Haltestelle gefahren ermöglicht es uns im ersten Schritt den Hilfsantrieb, einen sogenannten Kettenzug am Schachtkopf zu montieren.
Der Kettenzug ist ein Hilfsgerät welcher zum ab und Einbau eines Jeden Aufzuges benötigt wird. Er wird ganz oben im Aufzugschacht montiert und die Kette parallel zum Tragseil der Kabine eingehängt.
Wie die sicher an Kettenzug hängt, können die Tragseile gekappt werden.
Ragnar und mir trieb es beim Einhängen dieses über 40 kg schweren Ungetüms den Schweiß auf die Stirn. Die Kette wog nochmals so viel. Aber was andere Leute eben im Fitnessstudio erledigen ist bei uns im Schacht mit dabei.
Mit dem Kettenzug kann die Kabine bequem per Handsteuerung auf und ab bewegt werden.
Um dies zu ermöglichen ist es aber wichtig zu wissen wo man den Haken an der Kabine einhängen muss.
Denn durch das Tragseil wird die Fangeinrichtung, gespannt gehalten um im Falle eines Drahtbruches die Kabine vor dem Absturz zu bewahren.
Die Fangeinrichtung ist das Kernstück der Konstruktion einer jeden Liftkabine, auch heute noch. 1853 war diese Erfindung von Otis ausschlaggebend für die Einführung von Personenaufzügen.
Für jede Führungsschiene sind zwei Fangbacken vorgesehen, welche im falle eines Drahtbruches oder zu schneller Abwärtsfahrt, die Kabine automatisch Festbremsen. Das dies in Sekundenschnelle passieren kann, dafür sorgen große Eisenfedern welche stehts gespannt sind solange das Gewicht der Kabine am Seil hängt.
Ein Erlebnis ist es danach auf dem Dach der Kabine eine Fahrt durchs Treppenhaus zu erleben. Natürlich gut gesichert mit Gurt.
Am Boden der Realität angekommen, im untersten Stockwerk nämlich, gönnen wir uns dann erst mal eine wärmende Pause.
Der Punsch hat seine ideale Temperatur erreicht.
Ein Kaffee wird uns zusätzlich noch von einem Geschäft im Parterre angeboten. Kaffeehaus Atmosphäre im Stiegenhaus sag ich nur.
Gut gestärkt geht es nun an den Kern der Sache,
das Zerlegen der Kabine.
Nun müsst ihr wissen, das es beim Auseinandernehmen einer historischen Kabine kein grundsätzliches Rezept gibt.
Gewisse Grundregeln sind zwar gegeben, doch sind diese bei jedem Hersteller in anderer Reihenfloge anzuwenden.
So erreicht man Schrauben zum Entfernen der Holzwände nur im angehobenen Zustand von unterhalb des Fahrkorbes. Die Wände können aber erst entfernt werden, sobald der Querträger oberhalb der Kabine demontiert wurde.
Also eine richtige Hirntschecherei wie man auf gut wienerisch sagt.
Im aktuellen Fall ist aber wie so oft im Leben wieder mal alles anders.
Nachdem alle Glasfenster sorgfältig ausgebaut und verpackt wurden ging es an die Substanz.
So gut wie jede auch nur noch so kleine Zierleiste muss abmontiert werden um die darunterlegenden größeren Konstruktionsschrauben zu erreichen. Die Holzwände konnten dadurch alle als erstes entfernt werden. Zurück blieb der sogenannte Fangrahmen samt Bodenplatte.
Als Fangrahmen wird der eiserne Rahmen bezeichnet der die eigentliche Holzkabine festhält.
Mit diesem urigen Ungetüm ergaben sich noch sehr originelle Aufnahmen, die fast an die Weltausstellung in Philadelphia erinnerten wo Otis 1853 seiner Erfindung der Fangeinrichtung zur Schau stellte.
Im Anschluss daran wurde auch diesem Teil mit Latschensatz und Gabelschlüssel zu leibe gerückt. Jahrzehnte langes Schmieren der Führungsschienen hatte Zentimeterdicke Spuren von Fett und Öl hinterlassen, was die Demontage nicht gerade vereinfachte.
Aber wir sind das ja eh schon gewohnt bei diesem Hobby. Deshalb ists wichtig die Bodenbereiche im Stiegenhaus immer gut abzudecken, um keine unliebsamen Spuren zu hinterlassen.
Am Ende von zwei intensiven Arbeitstagen war es schließlich vollbracht.
Die Kabine für die kommende Restaurierung eingelagert im Depot,
der Schacht gelehrt und alle Werkzeuge wieder an ihrem Lagerplatz.
Jetzt war der Zeitpunkt wo sich jeder nach einer heißen Dusche sehnte, während die letzten Tropfen Punsch aus dem Kessel flossen.
Schön das Ihr uns ein Stück bei der Arbeit begleitet habt.