Die Zwillings-Aufzüge
Aufzüge von der Stange?
Eine Erscheinung unserer Zeit?
Nein, auch zu Beginn des 20. Jhdt`s gab es diese Art der Produktion bereits.
Im Fasanviertel in Wien gibt es sie heute noch. Und dazu auch einige Gerüchte.
Nur mehr einige wenige Fassaden zeugen vom Glanz der damaligen Zeit.
Wurde dieses Viertel zwischen Arsenal, eine der damals größten Kasernen der Stadt, und dem Aspang- und Süd-/Ost Bahnhof doch im zweiten Weltkrieg stark unter Beschuss genommen.
Aber gerade die Nähe zum Belvedere, welcher den Landsitz des Prinzen Eugen darstellte, lockte auch das gehobene Bürgertum an.
Exklusive Wohnhäuser wurden errichtet in denen auch moderne Betriebsmittel wie eben der Aufzug verbaut worden sind.
Genau dies war der Grund mich in diesem Teil der Stadt einmal genauer umzusehen.
Und siehe da, ich wurde nicht enttäuscht!
Und das Interessante daran, in mehreren nebeneinander liegenden Gebäuden befanden sich exakt die selben Kabinen.
Die Abmessungen, Verzierungen und die Bauweise waren genau gleich. Ein Phänomen das mir schon öfters aufgefallen ist. Inzwischen kann ich die Hersteller der Aufzüge zu erkennen, auch wenn jegliche Beschilderung fehlt.
In diesem Fall handelt es sich um ein Produkt der Firma Julius Petravic & Co Wien Hernals.
Diese Firma Produzierte ab 1888 neben Winden, Kränen und Werkzeugmaschinen auch Personenaufzüge.
Wa war einer der Big Player am Markt in Wien.
Was noch auffiel; bei beiden Anlagen fehlten die Tragseile.
Ich begann zu recherchieren und erkundigte mich bei den zuständigen Hausinhabungen.
Genauere Informationen konnte ich hier nicht bekommen, doch die Möglichkeit einer Dokumentation vorort wurde mir gegeben und ermöglichte mir den Kontakt zu den Hausbewohnern.
Gemeinsam mit meinem Freund und Fotografen, ebenfalls mit dem Namen Christian, konnten wir nun in ruhe auf Spurensuche gehen.
Es dauerte nicht lange, wurde uns die Aufmerksamkeit einiger Bewohner geschenkt.
Interessiert fragte auch ein kleiner Junge ob wir denn Alten Lift reparieren.
Schön währe es , dachte ich bei mir.
Mit einem älteren Herren, welcher historisch gut informiert war, kamen wir dann über die Geschichte des Hauses, und eben auch diesen Aufzug ohne Seile ins Reden.
„Es waren hier Offizierswohnungen vom nahen Arsenal untergebracht!
Und die Seile wurden nach dem Krieg von Schwarzmarkthändlern gestohlen.“
Neben den vielen Wohnbauten der Zivilgesellschaft, wurden ebenfalls Offizierswohnhäuser im Viertel errichtet.
Mehrerer Häuserblöcke wurden bebaut, die sich im Stil stark ähneln.
Für das geübte Auge ist dies am Fassadenschmuck gut zu erkennen.
Nach dem Krieg waren die Hauser natürlich großteils verwaist, und wurden durch die Ausgebomte Zivilbevölkerung bewohnt. Gut möglich das sich da in dieser Zeit der Not mit den Seilen etwas Geld gemacht wurde.
Eine andere Dame des Hauses berichtete uns:
„Der Lift ist nicht mehr gangen weil die Russen den Motor mitgnommen ham!“
Dieser interessanten Tatsache wollten wir auf den Grund gehen.
Aber leider hatten wir von der Hausverwaltung keinen Schlüssel für den Dachboden bekommen.
„Den hat nur der Tischler vom Souterain“ erzählte man uns.
Freundlich und interessiert wurden wir von diesem empfangen und bereitwillig auf den Dachboden begleitet. Schon standen wir zu dritt am Flachsdach vor einer gut verschraubten Blechtüre.
„Ich hab unten einen Akkuschrauber!“; verkündete der Tischlermeister. „Bin gleich wieder da“!
Zeit um die umliegende Dachlandschaft zu geniesen, und die Bebauung zu studieren.
Bald schon war er zurück und die schwere Türe wurde mit vereinten Kräften geöffnet.
Wohl das erste Mal seit Jahrzehnten.
Vor uns eröffnete sich ein komplett erhaltener Triebwerksraum. Sogar mit Motor!
Die massive Antriebseinheit ruhte, wie bei solchen Dachantrieben dieser Epoche üblich auf mehreren freiliegenden Eisenträgern.
Der Antrieb besteht aus mehreren Einheiten.
- Den größten Teil beansprucht die Seiltrommel samt Getriebe für sich. Aus Gusseisen gefertigt wird auf ihr das gesamte Tragseil aufgewickelt.
- Den zweiten Teil bildet der Motor samt Bremse mit angeschlossenem Anlasser.
Der Anlasser wurde bei den Motoren benötigt um diese in Gang zu setzen. - Übrig bleiben dann noch die schon damals vorhandenen Sicherheitseinrichtungen wie Geschwindigkeitsbegrenzer und Schlaffseilschalter.
Geschwindigkeitsbegrenzer ist das Gerät welches bei zu schneller Abwärtsfahrt, hervorgerufen durch zu viel Beladung, die Kabine bremst. In diesem Fall mittels eines Fliehkraftreglers.
Die Kabine zieht ein umlaufendes Seil mit sich welches das Gerät in Drehung versetzt.
Dreht es sich zu schnell wird das Seil blockiert.
Der Schlaffseilschalter sorgt dafür, sollte sich die Kabine bei der Abwärtsfahrt in den Führungen verkeilen (eventuell bei ungleichmäßiger Beladung oder schlechter Schmierung) der Fahrstrom abgestellt wird um ein leeres Abrollen der Seile zu verhindern.
War die Geschichte mit dem gestohlenen Motor doch nur ein Märchen.
Dafür konnten wir in diesen Häusern eine Menge interessierte Menschen kennen Lernen, welche unserem Projekten auch in Zukunft aufmerksamkeit schenken.
Und wer weiß, vielleicht ist das nächste Aufzugsprojekt ja bereits in einem dieser Häuser.
Die Gespräche laufen bereits.
Ich halte euch am laufenden!