Ein Fest für einen Aufzug
Und das ganze Haus feiert mit!
Die Bewohner nehmen Abschied von ihrem stummen Mitbewohner.
Doch so stumm sollte er nicht mehr sein.
Bunte Girlanden werden gespannt, auf dem Fensterbrett Krapfen drapiert.
Alles soll stimmig sein, für das Fest, welches wir für die Bewohner unseres Projekthauses veranstalten.
Seit über 80 Jahren stand der Aufzug dort still. Bis vor einem Monat zumindest fristete die Kabine versteckt hinter einer Wand ihr Dasein.
Das Aufzugsmuseums Team hat inzwischen nach so vielen Projekten schon Führungsschienen und Öl im Blut, und so haben Franz, Ragnar und ich es nach einem Monat geschafft die alte Dame wieder in Bewegung zu setzen. Aber das war auch für uns kein alltägliches Unterfangen.
Wir berichteten im Beitrag: und er bewegt sich doch!
Unter staunenden Blicken gleitet der hölzerne Fahrkorb nun wieder an den Stiegenhausfenstern vorbei, angetrieben vom originalen Gleichstrommotor, mitsamt dazu gehöriger Steuerung.
„Bei uns wackeln die Gläser in der Küche wenn der Aufzug fährt“,
berichtet uns eine Mieterin aus dem 3. Stock.
Aber da dieser Zustand nur temporär sein sollte, geschah dies mit einem Lächeln.
Bei Begegnungen während der Arbeiten am Aufzug wurden wir auch immer wieder gefragt:
„Dürfen wir noch einmal einen Blick in die Kabine werfen, bevor er zerlegt wird?“
Dieses große Interesse der Mieter war Grund genug, für die Idee dazu einen passenden Rahmen zu schaffen.
Nach etwas Planung, wurde es letzten Samstag umgesetzt.
Ein großer Teil der Bewohner, sowie ehemals hier Wohnhafte fanden sich ein, um „Ihren“ Aufzug noch einmal in Aktion zu erleben.
Und für die Mutigen gab’s auch eine Fahrt.
Ein Mann welcher früher im dritten Stock gewohnt hat, erzählt uns begeistert:
„Als Kinder haben wir in der Kabine Aufzugfahren gespielt!
Die Türen standen damals einfach offen. Ich erinnere mich, da war sogar noch eine grün bezogene Sitzbank drinnen. Einer von uns bediente die Druckknöpfe, der andere setzte sich auf die Bank.“
Spannende Informationen für uns!
Denn wir hatten schon gerätselt, wie die Sitzbank wohl ausgesehen haben mag.
Er berichtet weiter:
„Später wurde die Kabine als Abstellraum für Fahrräder und Kinderwagen verwendet.
Da ist wohl dann auch die Sitzbank entfernt worden“
Ein Schicksal, das uns nicht unbekannt ist.
Dann ging es wieder ans Aufzugfahren.
Und mit seiner Begeisterung über eine Liftfahrt war der Herr nicht alleine.
Unser Sowitsch Aufzug hatte alle Lager voll zu tun an diesem Tag.
Beim Buffet im Parterre traf man sich anschließend zum Plausch bei Krapfen und Getränken.
Thematisiert wurde auch die Geschichte des Hauses.
Die einzelnen Bruchstücke an Information der einzelnen Hausparteien fügten sich wie ein Puzzle zu einem Gesamtbild zusammen.
Demnach residierte im 2. Stockwerk der zweiten Stiege die Inhaber der Liegenschaft.
Eine jüdische Arztfamilie.
Diese hatten aufgrund einer Invalidität der Hausdame den Aufzug Ende der 1920er Jahre einbauen lassen.
Errichtet wurde das Gebäude von einem italienischen Bankier als Palais bereits im 18. Jhdt.
Umgebaut erhielt es schließlich 1838 sein heutiges Erscheinungsbild.
„Meine Großmutter ist 1936 hier im zweiten Stock eingezogen. Da waren die beiden Wohnungen noch miteinander verbunden. Anschließend wurden sie geteilt. Die Herrschaftsfamilie ist damals in die USA ausgewandert.“ erzählte eine Frau aus dem zweiten Stock.“
Es ist also anzunehmen, das Sie den damaligen politischen Wandel richtig gedeutet haben und vorzeitig Europa verließen.
Eine weise Entscheidung! Denn wir alle wissen was 1938 passierte. Eines der dunkelsten Kapitel österreichischer Geschichte!
„Auch meine Großmutter musste zu Kriegsbeginn schließlich die Wohnung verlassen. Konnte aber nach großen Bemühungen nach 1945 wieder einziehen. Den Aufzug hat sie aber nie in Betrieb erlebt“
Eng ist die Geschichte der Aufzüge mit der Geschichte der Bewohner solcher Häuser verknüpft.
Sozialer Wandel führte oft zum Einstellen der Lifte.
Im aktuellen Fall dürfte es laut Berichten also 1936 gewesen sein, als die Errichter des Privataufzuges ausgezogen sind.
Was bedeutet, das der Aufzug nur knappe 10 Jahre in Betrieb gewesen ist.
Neben Themen zum Haus, bot dieses Beisammensein auch die Möglichkeit das Wiener Aufzug Museum näher vorzustellen.
Aufgehängte Bilder im Stiegenhaus unserer bereits geretteten Aufzüge gaben auch visuelle Eindrücke des Projektes.
Was am Ende des Tages übrig blieb, waren viele neue Erkenntnisse auf beiden Seiten.
Und die eine oder andere Bekanntschaft, welche über die Zeit des Projektes im Haus hinaus gehen wird.
Und auch die Wehmut über den bevorstehenden Abbau.
Nächste Woche wird es losgehen.
Doch mit der Gewissheit: Der Aufzug wird weiterleben!
Wir sorgen dafür!