Lost Elevators – Vergessene Aufzüge in Wien
Prominent platziert in der Stiegenspindel warten Sie dort seit Jahrzehnten.
Fahrgäste bleiben jedoch aus, denn in Betrieb sind diese Aufzüge meist seit den 1940er Jahren nicht mehr.
Es sind Liftanlagen der ersten Generation, welche vor Ausbruch des 1. Weltkriegs errichtet wurden.
Genau diese Aufzüge sind es für mich welche mich faszinieren.
Begleitet mich auf eine Reise durch die turbulente Aufzugsgeschichte des 20. Jahrhunderts.
Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts
Zu dieser Zeit wuchs die Stadt unaufhörlich und entwickelte sich in die Höhe.
Grundstücke in Stadtnähe wurden wertvoller und begehrter.
Moderne Aufzüge sollten die oberen Etagen für das betuchte Publikum attraktiv machen.
Der Angst vor dem Transportmittel wurde mit gediegener Ausstattung der Kabinen, gleich kleinen Salons, entgegengesteuert.
Doch die Zeiten änderten sich rasant.
Das Kaiserreich geriet ins Wanken.
Komfortwünsche wichen dem Kampf ums Überleben.
Ab 1916 wurden die ersten Aufzugsanlagen aufgrund der nicht Durchführbarkeit von Reparaturen eingestellt.
Nicht Kriegswichtig oder fehlendes Fachpersonal waren Gründe dafür.
Zwischen den Kriegen
In der Zwischenkriegszeit setzte sich diese Tendenz fort.
Es wurden kaum neue Aufzüge errichtet.
Wirtschaftliche Not, Inflation und politisch unsichere Zeiten trugen das ihre dazu bei.
Was an Aufzügen vorhanden war wurde Weiterbetrieben und oft nur notdürftig instandgesetzt.
Aber es kam bereits in den 1920er und 1930er Jahren zu Stilllegungen von Anlagen. Geld für die Adaptierung auf die neuen Normen fehlte.
Überarbeitete österreichische Aufzugsnormen Ende der 1920er Jahre, sowie die Übernahme der strengeren deutschen Vorschriften im Zuge des Anschlusses 1938, waren hier hauptverantwortlich.
Letztere verursachten zudem ein Verbot für die Handsteuerung wo der Aufzugswärter den Lift bei offener Schachtüre steuerte. Diese wurde bei Wiener Aufzügen bis 1914 verbaut.
Oft sogar noch begonnene Umbaumaßnahmen zur Zeit des zweiten Weltkrieges wurden mit Ausrufung des „totalen Krieges“ 1942 eingestellt und sogar verboten.
Alles verfügbare Menschliche und Materielle sollte für den „Endsieg“ zur Verfügung stehen.
Finstere Zeiten
Doch es waren nicht nur technische Gründe die zum Einstellen des Betriebs führten.
Viele herrschaftliche Häuser mit Aufzugsanlagen waren in jüdischem Eigentum.
Die Zwangsenteignung durch die Nazis und Bezug durch hochrangige Personen des Regimes führte dazu, das diese Objekte mit dem Zerfall des dritten Reichs herrenlos waren.
Viele Anlagen wurden zudem durch die Bombardements ab 1944 komplett zerstört, oder die Triebwerksräume am Dach durch Granatsplitter so in Mitleidenschaft gezogen, das ein Betrieb nicht mehr möglich war.
Oft waren es abgestürzte Gegengewichte, weil diese bei den alten Aufzügen noch an der Aussenfassade geführt wurden.
An Reparaturen war nach Kriegsende nicht zu denken.
Die Kabinen wurden da wo sie im Schacht gerade standen hängen gelassen und maximal gegen Abstürzen gesichert.
Viele der heute noch vorhandenen Lost Place Aufzüge sind genau jene aus dieser Zeit.
Nachkriegszeit
Was bis dahin noch nicht zerstört war und bereits als Selbstfahrer Aufzug (ohne Aufzugswärter) nach dem Stand der damaligen Technik ausgeführt war, blieb weiter in Betrieb.
Jedoch nicht für lange! Eine Umstellung des Wiener Stromnetzes führte dazu, das zwischen 1954 und 1959 so gut wie alle Aufzüge ihre Antriebsenergie verloren. Der Gleichstrom, mit welchem die Elektrifizierung Wiens begann, musste dem technisch überlegenen Wechselstrom / Drehstromnetz weichen. Schrittweise wurde in den 1950er Jahren ein Netzbereich nach dem Anderen abgeschaltet bzw. umgestellt (meist Bezirksident).
Wer sich den Umbau des Aufzugantriebs nicht leisten konnte, war gezwungen den Betrieb einzustellen.
Dies kann als zweite große Welle der Lost Space Aufzüge genannt werden.
Da diese bis zu diesem Zeitpunkt eingestellten Liftanlagen oft Jahrzehnte lang still standen, ehe sie in der jüngeren Vergangenheit erneut oder reaktiviert wurden, lässt sich auch durch den sozialen Wandel in vielen Wiener Bezirken erklären.
Der soziale Wandel der Stadt
Der Adel wurde mit Kriegsende 1918 verboten, jüdische Familien mussten 1938 aus Österreich emigrieren oder wurden enteignet und in Vernichtungslager deportiert.
Nach dem Krieg leerstehend, wurden dann oft dieser Großbürgerlichen besitzlosen Häuser von obdachlosen Familien bezogen.
Anfangs waren größere Wohnungen von mehreren Familien bewohnt. Später wurden solche Wohnungen auch auf kleinere Einheiten zerteilt.
Aufgrund der lange Zeit nicht aufgearbeiteten Eigentumsverhältnisse, blieben die Bewohnerinnen und Bewohner. In die Gebäude wurde wenig bis gar nichts investiert.
Weiters wurden viele zur Kaiserzeit großbürgerliche Wohngegenden in der Nähe von Bahnhöfen oder Hauptverkehrsadern wie der Wienzeile oder dem Gürtel durch zunehmenden Verkehr unattraktiv.
Die Menschen, welche es sich leisten konnten, zogen in moderne Neubauten am Stadtrand.
Billige Mieten lockten schwächere Einkommensschichten in die alte Bausubstanz.
Dies führte dazu, das ein Instandsetzen der Aufzüge keine Priorität hatte.
Sie gerieten in Vergessenheit. Wurden als Abstellräume für den Hausmeister oder als Rumpelkammern zweckentfremdet.
Erst in der jüngeren Vergangenheit durch das attraktiver werden von Immobilien und dem Ausbau der Dachgeschosse kommen solche Häuser wieder in den Fokus von Investoren.
Ungeachtet der wertvollen Originalsubstanz werden diese Zeitkapseln dann zerstört und entsorgt.
Das Wiener Aufzug Gesetz
Aber auch in der jüngeren Vergangenheit kam es dazu, das aus Aufzügen Lost Places wurden.
Und wieder betraf es überwiegend Aufzüge der Jugendstilzeit.
Eine Evaluierung des Wiener Aufzug Gesetzes 2007 forderte für Aufzugsanlagen bis Baujahr 1955 umfangreich Adaptierungen bis Ende 2012, welche mit umfangreichen Investitionen einhergehen.
So mancher Eigentümer reizte diese Übergangsfrist aus, was dazu führte das die betroffenen Aufzüge von der Baupolizei gesperrt wurden.
In so manchem Wiener Haus stehen die Lifte bis heute still weil eine Sanierung bis heute nicht erfolgt ist.
Einige solcher Objekte konnten wir noch dokumentieren und retten.
Aber es sind noch immer einige solcher vergessenen Aufzüge in Wiener Häusern.
Einige haben wir mit der Kamera besucht.
Crowdsourcing
Einige Lifte in Wiener Häusern schlummert sicher noch, ohne das wir davon wissen. Darum brauchen wir deine Hilfe bei der Suche!
Werde Scout, finde vergessene Aufzüge und schick uns ein Foto per Instagram, Facebook oder mail an christian@aufzugmuseum.at.
Gemeinsam sind wir mehr! Danke! 🙂
Und wenn Du gerne selbst solche Aufzüge kennen lernen möchtest, besuche uns bei der nächsten Event.
SAVE THE DATE!
WANN: Samstag 28.3.2020 14-20 Uhr
WO: In unserer POP UP LOCATION
Winarskystraße 5, 1200 Wien
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