7. Januar 2018
In
Blog, Geschichte
Vor 150 Jahren begann Wiener Aufzuggeschichte
Speziell zu den Feiertagen hat man endlich Zeit Angesammeltes zu ordnen und zu sortieren. Mir ist dabei eine alte Werbeanzeige der Firma A. Freissler Wien in die Hände gefallen. Bei näherem Hinsehen fiel mir auf, 2018 ist das 150. Gründungsjubiläum des Unternehmens.
Grund genug euch den bekanntesten Wiener Aufzughersteller näher vorzustellen.
Auf einen großen Lebenslauf möchte ich jetzt getrost verzichten, da ihr den sowieso im Wikipedia finden könnt.
Biografie von Herrn Freissler auf Wikipedia
Mehr will ich auf sein Wirken bei der Pionierarbeit im österreichischen Aufzugsbau eingehen.
Im Jahre 1867 wurde ihm die Ehre zuteil als einer von 52 ausgewählten Ingenieuren nach Paris zur Weltausstellung zu reisen.
Dort kam er zum ersten Mal mit dem Thema Aufzug in Kontakt.
Die Vorführung der hydraulischen Aufzüge des Franzosen Edoux imponierte ihm dermaßen, dass er diese Konstruktion nach Wien importierte.
Ein hydraulischer Aufzug wird durch einen oder mehrere Hydraulikkolben bewegt.
Diese können unterhalb der Kabine platziert sein und direkt wirken.
Oder aber neben der Kabine liegen und indirekt über Seile antreiben.
Als Antriebsmittel diente in der Anfangszeit normales Leitungswasser.
Auch heute noch wird dieses System eingesetzt, allerdings mit Öl als Treibmittel.
Er erarbeitete ein neues System für hydraulische Aufzüge für welches er wenig später das Patent, damals Privileg genannt, in Wien erhielt.
Am 15.1.1868 übernahm er schließlich eine kleine Schlosserei im 4. Wiener Gemeindebezirk mit sieben Arbeitern.
Damit begann vor 150 Jahren die Geschichte der Firma:
Anton Freissler, Ingenieur, Aufzug- und Maschinen Fabrik
Angeboten wurden in der Anfangszeit folgende Aufzugsarten:
-
Speisen- und Getränkeaufzüge
-
Holz- und Kohlenaufzüge
-
Lasten- und Warenaufzüge
-
Personenaufzüge
Ende des 19. Jhdts. kommen auch noch verschiedenste Kräne und Hebeanlagen dazu.
1870 lieferte Freissler seinen ersten hydraulischen Personenaufzug für den Baron Liebig in der Wipplingerstraße 2, Wien Innere Stadt.
Durch die gute Baukonjunktur bedingt durch die Weltausstellung 1873 wuchs auch das Unternehmen sehr rasch. Die Nachfrage nach Aufzügen stieg, in den vielen neuen Hotelbauten durfte die neue Technik Aufzug nicht fehlen. Und auch die Aristokratie, welche sich Prunkbauten an der im Bau befindlichen Wiener Ringstraße errichtet, zählen zu den Kunden Freisslers.
Dieser Boom führte zu einem Expandieren in den 10. Wiener Gemeindebezirk wo zwischen 1872 und 1874 das neue Fabrikgebäude errichtet wurde.
Die Weltausstellung 1873
Hier war Anton Freissler als einziger Aussteller für Aufzüge stark vertreten.
Je ein Personenaufzug mit Hand- und hydraulischem Betrieb,
je einen Lastenaufzug für Maschinen- und Handbetrieb,
einen Speisenaufzug,
einen Getränke Doppel Aufzug
und einen Holz- und Kohle Aufzug aus.
Vor allem der Personenaufzug auf die Aussichtsplattform der Rotunde erfreute sich größter Beliebtheit.
1880 stellte Werner von Siemens als neue Innovation den Elektromotor vor.
Es dauerte nicht lange bis auch die Aufzugsindustrie sich auf diese neue Technik ausrichtete.
1883 zeigte Freissler auf der Gewerbeausstellung in der Rotunde seinen ersten elektrischen Personenaufzug.
Aufgrund der technischen Vorraussetzungen in den Städten dieser Zeit lief der Absatz allerdings nur langsam an.
Im Jahre 1884 wurde dem Unternehmen der Status K & K Hofmaschinenfabrikant verliehen, welcher ab sofort jedes Typenschild zierte. Bessere Werbung als durch das Kaiserhaus konnte man sich zur damaligen Zeit nicht wünschen.
Ab 1895 began erst der Durchbruch des elektrischen Aufzuges. Aufzüge mit Handbetrieb wurden immer weniger nachgefragt.
In diesem Jahr errichtete die Firma auch ihre Zweigstelle im Budapest.
Und hier sind wir auch schon mitten in der Zeit wo der Personenaufzug in Wohnhäusern mehr und mehr gefragt war. Der elektrische Strom machte die Antriebsmaschinen kleiner und leiser.
Anfangs noch mit Aufzugsführer wird durch die anhaltende Innovation bald der Selbstfahrer Aufzug zum Standard.
Selbstfahrer-Aufzüge sind Lifte wo kein Medienpersonal mehr notwendig ist.
Der Fahrgast betätigt die Steuerung in Form von Druckknöpfen selbst.
Das Abstellen im gewünschten Stockwerk geschieht durch die Maschine selbst.
Gerade in Wohnhäusern mit wenig Fahrgastfrequenz setzte sich dieses System schnell durch.
In der Zeit von 1900 bis 1914 erreichte die Zahl der von Freissler errichteten Personenaufzüge eine Rekordzahl. 124 Stück alleine im Jahr 1912.
Die Firma war Marktführer in der Monarchie.
In diese Zeit fiel auch die Auslieferung eines neuen Produktes am Personenaufzug-Segment.
Dem Paternoster!
Die erste Anlage dieser Art wurde von Freissler 1908 im Haus der Industrie in Wien in Betrieb genommen.
Bis heute ist er im Dienst und zählt als Ältester seiner Art in Wien und der ganzen Welt.
Der Begriff Paternoster ist den meisten von euch sicher geläufig.
Er bezeichnet einen Umlaufaufzug, bei dem an zwei Ketten beliebig viele Einzelkabinen hängen.
Wie Kugeln bei einem Rosenkranz, daher der Name Paternoster.
Diese Kabinen verkehren in stetigen Umlauf und ermöglichen eine hohe Transportkapazität.
1908 gab Anton Freissler die Unternehmensführung ab.
Er starb im Alter von 78 im Jahr 1916.
Doch die Firmengeschichte ging unter neuer Führung weiter.
Der Ausbruch des ersten Weltkrieges brachte schließlich den Markt für Personenaufzüge fast zum Erliegen.
Die zwanziger Jahre waren daraufhin eine schwere Zeit für die österreichische Aufzugsindustrie.
Handelssperren mit den ehem. Kronländern verhinderten einen Export dorthin.
Im westlichen Europa war die Konkurrenz zu stark.
Ab 1934 erholte sich sie Situation und die Firma Freissler übernahm die Wiener Aufzugfirma Ferdinand Bauer Nachfolger.
Speziell in der Zwischenkriegszeit tat sich auf dem technischen Sektor bei den Aufzügen einiges.
Die elektrische Druckknopfsteuerung und die Treibscheibe setzten sich durch.
Mehr und mehr wurde Wert auf leisen und ruckfreien Betrieb gelegt.
Als Treibscheibe bezeichnet wird das Rad über welches das Tragseil der Kabine angetrieben wird.
Der Unterschied zur vorher üblichen Seiltrommel besteht darin dass das Seil nicht mehr komplett aufgewickelt wird, sondern nur mehr umgelenkt wird. Dadurch wurde weniger Verschleiß und größere Förderhöhen erreicht.
In der Zeit des zweiten Weltkrieges konnte sich die Firma ihre Unabhängigkeit bewahren.
Jedoch stieg der Druck durch die neue Konkurrenz aus dem „Altreich“. Es gab Subventionen.
Die deutschen Aufzugsvorschriften wurden in Österreich (damals Ostmark) erst 1943 eingeführt.
Dadurch bestand noch ein Wettbewerbsvorteil für die Fa. Freissler.
Der Absatz von Personenaufzügen entwickelte sich im Vergleich zu Lastenaufzügen aber sehr gut.
Da Personenaufzüge allerdings nicht als kriegswichtig eingestuft waren wurden viele Arbeitskräfte eingezogen.
Der Neubeginn nach Kriegsende war dann einfacher als noch nach dem ersten Weltkrieg.
Die Fabrikseinrichtung konnte durch gute Einvernahme mit den neuen Machthabern erhalten werden.
Anfangs waren Reparaturen die Haupteinnahmequelle, bis mit dem Einsetzen des Wirtschaftswunders auch der Absatz an Neuanlagen wieder anzog.
Ende der 60er Jahre wurde das Mithalten mit der Konkurrenz jedoch immer schwieriger.
Die Fertigungsabläufe erwiesen sich als zu langsam und kostenintensiv.
1969 wurde Otis Mehrheitseigentümer der Firma Freissler.
Der Doppelname Freissler/Otis blieb noch bis 1999 bestehen.
Danach wurde sie komplett durch Otis übernommen.
Wenn ihr das nächste Mal also irgendwo in einem Aufzug den ihr benutzt den Hersteller Freissler geschrieben seht, denkt an diesen Pionier der österreichischer Aufzugsbauer.
Bis demnächst!
LG
Christian
Literatur:
Harald Simple: „Freissler“ und die österreichische Aufzugsindustrie 1868 bis 1969, Lit, Berlin / Münster / Wien 2010, ISBN 978-3-643-50160-8 (Dissertation Wirtschaftsuniversität Wien 2002, 235 Seiten).